UXellence®

Es ist für die spätere Konzeption und Entwicklung wichtig zu wissen, ob eine Anwendung besonders das Kompetenzerleben der Nutzer oder vielleicht doch lieber das Gefühl von Sicherheit unterstützen soll. Es gibt zehn psychologische Bedürfnisse, die wir für die Entwicklung technischer Produkte und Services berücksichtigen und in unserem Modell UXellence® zusammengefasst haben. Neben den Bedürfnissen ist es relevant zu erfassen, in welchem Kontext die Nutzer positive Erlebnisse im Umgang mit dem System haben. Die Bedürfnisse dienen uns neben Gestaltungsprinzipien der Usability als weiterer Grundsatz zur Entwicklung neuer Systeme. Wissen über die Bedürfnisse der Nutzer ermöglicht es, die Interaktionsgestaltung spezifisch an den Einzelnen und den Arbeitskontext anzupassen. Dabei berücksichtigen wir nicht nur technische Features, sondern auch die Art und Weise wie Informationen aufbereitet werden. Wir wählen außerdem die passenden Interaktionsmöglichkeiten aus, um die Bedürfnisse der Nutzer anzusprechen.

Ein Beispiel

Herr Kurz arbeitet seit über 15 Jahren an seiner Maschine, als ein neues HMI mit Touch Bedienoberfläche eingeführt wird. Das neue Interface ermöglicht es, die Standardübersicht zu individualisieren und ist für alle viel leichter zu bedienen. Durch seine langjährige Expertise hat Herr Kurz die Abläufe im Kopf und wird von den Kollegen häufig um Rat gefragt. Dieses Bedürfnis nach Kompetenz prägt seine Arbeit. Umso mehr freut er sich, als er entdeckt, dass das neue HMI die Möglichkeit bietet eigene Touch-Gesten als Shortcut zu vergeben. Er entscheidet sich für die Funktion »Kühlwasser an« eine Welle als Geste zu nutzen. Herr Kurz fühlt sich hervorragend. Er hat nicht an Status oder Wissen verloren, sondern die Möglichkeit erhalten seine Expertise sogar einen Schritt weiter auszubauen. Analog dazu kann sein Kollege Herr Lang mit einem starken Bedürfnis nach Sicherheit sich das Interface so anpassen, dass alle für eine dauerhafte Überwachung relevanten Parameter im Sichtfeld angeordnet sind.

Wie kommt man nun zu einer Anwendung, die ein positives Nutzungserleben fördert, indem es Kriterien für eine gute Gebrauchstauglichkeit und Bedürfnisse der Nutzenden gleichermaßen berücksichtigt?

Die Antwort: mit interdisziplinären Teams, den richtigen Methoden und der frühzeitigen und kontinuierlichen Einbindung von Nutzern und weiteren Stakeholdern in den Entwicklungsprozess. Ziel bei der Entwicklung neuer HMIs oder Produkte ist es, ein positives Nutzungserleben (User Experience) zu ermöglichen. Dazu beschäftigen wir uns bereits während der Analyse mit den psychologischen Grundbedürfnissen der Nutzer.

User Experience laut Norm

User Experience wird als „Benutzererlebnis“ im Teil 210 der Norm DIN EN ISO 9241 definiert. Demnach wird User Experience definiert als „Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren“. In Anmerkung 2 zur Definition wird gelistet was alles unter das Benutzererlebnis fällt: „Emotionen, Vorstellungen, Vorlieben, Wahrnehmungen, physiologische und psychologische Reaktionen, Verhaltensweisen und Leistungen, die sich vor, während und nach der Nutzung ergeben“. Die genannten Reaktionen entstehen durch Faktoren, wie dem Markenbild, der Gestaltung des Produktes und dem inneren Zustand des Benutzers. Tatsächlich wird mit der User Experience Definition in der Norm nicht mehr nur das Nutzungsverhalten, sondern auch das Erleben als subjektive Reaktion adressiert.

In der Norm wird auch ein zeitlicher Aspekt des Erlebens angesprochen. Das Nutzungserlebnis wird somit nicht nur auf den Zeitpunkt der Interaktion bezogen. In der Norm finden sich zudem Hinweise, dass auch die Verpackung, die Hotline und Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Produkt angesprochen werden. Die Erlebnisdynamik lässt sich aber auch noch anders deuten. Im Anschluss an die erlebte Interaktion wird diese reflektiert und führt mit anderen Interaktionserlebnissen zu Erwartungen an eine zukünftige Nutzung des Systems . Die Definition gibt keine Hinweise, was entscheidende Eigenschaften des Benutzererlebnisses sind und vor allem bleibt offen, wie ein positives Erlebnis entsteht bzw. entstehen soll. Implizit schwingt in der Norm mit, dass gute Usability eine zentrale Voraussetzung dafür ist.

Die Bedürfnisse

User Experience (UX) zielt darauf ab, den Nutzenden während der Nutzung ein positives, emotionales Erlebnis zu ermöglichen. Das positive Erlebnis entsteht dadurch, dass bei der Produktnutzung menschliche Bedürfnisse erfüllt werden. In diesem Fächer werden auf der Vorderseite die Bedürfnisse als Gefühl beschrieben und auf der Rückseite anhand von Beispielen aus dem Bereich der Technologie erklärt.

Stimulation

Dir ist es wichtig, Deine Neugier und Deinen Wissensdurst zu stillen. Du willst Freude und Vergnügen erleben, Neues kennen lernen und Vieles ausprobieren.

Deine neue Foto-App bietet Dir viele Möglichkeiten ,deine Bilder zu bearbeiten und zu pflegen. Jedes Mal, wenn Du die App öffnest, bekommst Du die Info zu einer neuen Funktion. So hast Du das Gefühl, dass Du immer nochmal etwas Neues entdecken und Schritt für Schritt etwas dazulernen kannst. Du bist neugierig darauf, noch viele andere Optionen zu entdecken und auszuprobieren.

Sicherheit

Du magst es, ein strukturiertes Leben mit routinierten Abläufen und Gewohnheiten zu führen. Es ist von Ordnung und Organisation geprägt. Mit Unsicherheiten kommst Du nicht so gut klar und Du willst Dich sicher vor Bedrohungen und Ungewissheiten fühlen.

Über Deine Kalender-App pflegst du Deine täglichen Termine. Dein Kalender erinnert Dich wunderbarerweise an wichtige Termine und hilft Dir so, Deinen Alltag zu strukturieren. So fühlst Du Dich sicher und hast keine Angst davor, etwas Wichtiges zu vergessen.

Selbstverwirklichung

Du strebst danach, dein wahres »Ich« zum Ausdruck zu bringen, indem Du nach Deinen wahren Interessen und Werten handelst. Dir ist es wichtig, ein tieferes Verständnis von Dir selbst zu entwickeln.

Über Dein Online-Tagebuch sammelst Du alles, was Dich beschäftigt und bewegt. Du stellst Dir Deine persönliche kleine Welt zusammen und reflektierst Deine Gedanken. Du schaust Dir Deine Einträge gerne an und findest immer neue Dinge, die Dein Interesse wecken.

Autonomie

Dir ist es wichtig, selbständig zu sein und Deine persönlichen Werte zu vertreten. Du möchtest dein wahres Selbst zum Ausdruck bringen und Deine Entscheidungen frei und selbständig treffen.

Du arbeitest gerne mit Photoshop. Was Dir an dem Programm besonders gut gefällt, ist die Tatsache, dass Du die Fenster selbst anordnen kannst und dass Du entscheidest, welche Funktionen als direkter Link zur Verfügung stehen. Das Programm lässt Dir allgemein viele Freiheiten.

Wettbewerb

Du magst den Wettbewerb. Du findest es gut, wenn Du besser als andere bist und versuchst häufig, andere zu übertreffen oder -trumpfen.

Du bist in einem Lauftreff und trainierst regelmäßig drei Mal die Woche für anstehende Wettbewerbe. Mithilfe Deiner Fitness-App kannst Du sowohl Deine sportlichen Fortschritte überwachen, als auch diese mit denen von Deinen Laufpartnern vergleichen. Für jeden Lauf bekommst Du Punkte. Du freust Dich und es spornt Dich weiter an, wenn Du siehst, dass Du diese Woche in Deiner Laufgruppe die meisten Punkte gesammelt hast.

Kompetenz

Du hast Spaß daran, Dich Herausforderungen zu stellen und diese zu bewältigen. Du fühlst Dich gut, wenn Du schwierige Aufgaben erfolgreich und eigenständig meistern konntest. Du genießt es, wenn Du die Kontrolle hast und ohne Hilfe anderer zurechtkommst.

Deine Dusche war verstopft. Du wolltest deswegen aber keinen Handwerker rufen, weil Dir der Schaden dafür zu gering erschien. Also hast Du Dir eine Handwerker App zugelegt. Mit Hilfe der App hast Du es dann alleine geschafft deine Dusche zu reparieren. Du bist stolz auf eine Leistung.

Einfluss

Du möchtest eine Person sein, an der sich andere orientieren. Du möchtest etwas bewirken und die Meinung und das Verhalten anderer beeinflussen.

Über Social Networks kannst Du Deine Meinung publik machen. Du postest gerne provokative Aussagen und es gefällt Dir, wenn Du merkst, dass andere Leute darauf reagieren und sich mit Deiner Meinung beschäftigen.

Popularität

Du möchtest, dass Deine Meinung von anderen geschätzt wird, und dass andere Leute auf Deine Meinung hören. Du findest es gut, andere positiv zu beeinflussen und dabei von ihnen gemocht zu werden.

Bei Twitter verfasst Du Beiträge über Themen, die Dich interessieren und äußerst damit offen Deine Meinung. Du hast viele Follower, die Deine Beiträge lesen und Dir zustimmen. Das ermutigt Dich damit weiterzumachen.

Idealismus

Du lebst und handelst nach Deinen eigenen Prinzipien und Idealen. Du bist jemand, der sich gerne für andere einsetzt und zu einem guten Zweck beiträgt.

Du willst Dein Wissen mit anderen teilen und schreibst Artikel, die Du auf Wikipedia veröffentlichen kannst. Es ist generell ein gutes Gefühl, Dein Wissen unter die Leute zu bringen. Damit hilfst Du ihnen weiterzukommen.

Bedeutungsvolles Sammeln

Du sammelst gerne bedeutsame Dinge und bewahrst diese auf. Du hältst an Dingen fest, die für Dich selbst wichtig sind und kannst Dich dadurch an positive Ereignisse erinnern.

Du bewahrst Bilder, die Dir gefallen, für Dich auf und siehst sie Dir immer wieder gerne auf Deinem Tablet an. Das Bild mit Deinem Freunden aus dem Urlaub bringt Dich immer zum Lächeln und erinnert Dich an die schöne Zeit.

Körperliches Wohlbefinden

Du achtest sehr darauf, gesund zu leben und genießt es, Deinem Körper etwas Gutes zu tun. Du magst es, körperlich aktiv zu sein.

Deine Ernährungs-App gibt Dir Tipps, wie du Deinen Alltag gesünder gestalten kannst. Du fühlst dich gut, wenn Dir die App abends meldet, dass Du Dich heute besonders gesund ernährt hast und Du damit Deinem Körper etwas Gutes getan hast.

Verbundenheit

Dir ist es wichtig mit Menschen, die Du magst und von denen Du auch weißt, dass sie Dich mögen, verbunden zu sein. Es erfüllt Dich, von anderen gemocht zu werden und mit ihnen zusammen zu sein.

Wenn Du mit Deinen Eltern per Videoübertragung sprichst, fühlst Du Dich ihnen sehr nahe, weil Du z. B. Dein altes Wohnzimmer sehen kannst, in dem es sich Deine Eltern gerade auf eurem alten roten Sofa gemütlich gemacht haben. Es ist fast so als könntest Du Dich neben sie setzen.

–> Leselinks

–> Downloads z.B. Bedürfnisfächer

Quellen

Pohlmeyer, A., Hecht, M., & Blessing, L. (2009). User Experience Lifecycle Model ContinUE [Continuous User Experience]. Proc. of BWMMS 2009.
DIN EN ISO 9241-210:2020-03, Ergonomie der Mensch-System-Interaktion_- Teil_210: Menschzentrierte Gestaltung interaktiver Systeme (ISO_9241-210:2019); Deutsche Fassung EN_ISO_9241-210:2019. (n.d.). Beuth Verlag GmbH. https://doi.org/10.31030/3104744